Narzissmus ist die Diagnose für eine spezifische Persönlichkeitsstörung. Bei ihr handelt es sich um ein tiefgreifendes und anhaltendes Muster der Großartigkeit (in Fantasie und Verhalten), ein durchgehendes Bedürfnis nach übermäßiger und bedingungsloser Bewunderung, Aufmerksamkeit und Anerkennung, verbunden mit einem Mangel an Einfühlungsvermögen in andere Menschen. Durch ein übertriebenes Selbstwertgefühl überbetonen und überbewerten Narzissten ihre eigenen Leistungen und Fähigkeiten. Allerdings erwarten Narzissten auch ohne entsprechende Leistung, als überlegen zu gelten.
Narzissten stechen durch Arroganz und Selbstidealisierung hervor. Für sie ist es unwichtig, sich mit den Angelegenheiten oder den Gefühlen Anderer auseinander zu setzten – außer dann, wenn es für sie nutzbringend ist. Im Gegenteil: in der Regel werten Narzissten andere Menschen ab, um ihren eigenen Selbstwert zu erhöhen. Kritik ertragen sie nicht – sie führt zu einer „narzisstischen Kränkung“. Von ihrem Umfeld erwarten Narzissten zumeist eine klare Positionierung: man ist entweder bedingungsloser Fan oder Feind. Misserfolge können Narzissten in schwere Krisen führen – bis hin zur Suizidgefahr.
Das Krankheitsbild des Narzissmus ist unter dem Zeichen F60.80 in der ICD–10 (International and Statistical Classifikation of Deseases and Related Health Problems) und spezifischer in der DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder) kodiert.
Für die Diagnose müssen die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt sein:
- keine hirnorganische Ursache bzw. nicht auf eine andere psychiatrische Störung zurückzuführen
- deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Bereichen wie Affektivität, Antrieb, Impuskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie in den Beziehungen zu anderen
- andauerndes und gleichförmiges auffälliges Verhaltensmuster (nicht auf Episoden begrenzt) und in vielen Situationen eindeutig unpassend
- Störungsbeginn in Kindheit oder Jugend und Manifestation im Erwachsenenalter
- deutlich subjektives Leiden, manchmal aber erst im späteren Verlauf
- meistens deutliche Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit
sowie (plus) mindestens fünf der neun Symptome der narzisstischen Persönlichkeitsstörung:
- Größengefühl (ein übertriebenes, unbegründetes Gefühl der eigenen Bedeutung und Talente)
- Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Schönheit, oder ideale Liebe
- Gefühl der Einmaligkeit (der Glaube, dass sie speziell und einzigartig sind und sich nur mit den Menschen auf höchstem Niveau verbinden sollten)
- Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung
- unbegründete Anspruchshaltung
- Ausnützung von zwischenmenschlichen Beziehungen
- Mangel an Empathie
- Neidgefühle oder Überzeugung, beneidet zu werden
- arrogantes, hochmütiges Verhalten
Das heisst allerdings nicht, dass nur diagnostizierte Narzissten Schaden anrichten können. Problematisch ist Narzissmus ab dem Punkt, an dem das Umfeld unter der Person leidet. Partner:innen bekommen eine solche Persönlichkeitsstörung oft am stärksten zu spüren. Narzissten können Menschen in ihrem Umfeld regelrecht zerstören.
Narzissten führen Erfolge fast immer auf ihre eigenen Fähigkeiten zurück – ohne dabei andere Faktoren zu beachten. Misserfolge werden nicht selbstkritisch reflektiert, sondern anderen „in die Schuhe geschoben“. Deshalb ändern oder hinterfragen sie ihr destruktives Handeln nicht. Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leiden vordergründig nicht selbst und sehen daher auch keine Notwendigkeit, sich zu verändern. Stoßen Narzissten auf Probleme, so werden sie der Umgebung oder anderen Personen in ihrer Umgebung zugeschrieben – und diese sollen sich ändern.